„Für manche war Poker immer schon zu schwierig“

Little ist der ideale Poker Profi. Er ist nicht nur Spieler, sondern arbeitet auch als Coach, macht Lehrvideos und schreibt Bücher.

PZ: Wie behält man nach zehn Jahren als Pokerprofi seine Motivation?

JL: Ich war nicht immer motiviert. Es gab Zeiten, da hatte ich die Motivation komplett verloren.

Anderen etwas beizubringen hilft mir dabei, selbst immer wieder etwas zu lernen, und das hält den Spaß am Spiel hoch.

Wenn man nur vor dem Computer sitzt, muss einem ja irgendwann langweilig werden.

PZ: Eine ganze Reihe von Spielern klagt über Burnout schon in jungen Jahren. Mike McDonald wollte schon aufhören, bevor er überhaupt alt genug war, um ein amerikanisches Casino zu betreten.

JL: Gutes Beispiel. Diese Jungs sitzen Tag und Nacht am Rechner, bis sie nicht mehr können.

Ich habe meinen Weg gefunden. Ich spiele zwei Wochen pro Monat live. Dann fahre ich nach Hause und spiele nur ab und zu.

Wer genug Pausen einlegt, hat auch wieder mehr Lust. Ich kann auf diese Art genau das machen, was ich will.

PZ: Es heißt auch, das Poker heutzutage zu schwierig geworden ist. Stimmt das?

JL: Poker ist für manche zu schwierig. Poker war für manche immer schon zu schwierig.

Bei jedem Spiel, das Können erfordert, steigt das durchschnittliche Spielniveau kontinuierlich an.

Die Kunst besteht darin, über dem Strich zu bleiben.

Vor zehn Jahren konnten vielleicht 20% der Spieler gewinnen, jetzt sind es nur noch 5%.

Solange man in diesen 5% ist, ist alles in Ordnung.

PZ: Woher kommt der Drang, zu unterrichten und anderen etwas beizubringen?

JL: Ich weiß nicht genau. Ich lerne selbst viel von anderen. Ich glaube nicht, dass ich besonders talentiert bin.

Jonathan Little poker player

Anderen zu helfen macht Spaß.
 

Ich glaube, ich bin von Natur aus ein schlechter Pokerspieler. Also habe ich viel an mir gearbeitet.

Vieles von dem, was ich gelesen habe, war eigentlich nicht besonders gut, also habe ich die besten Quellen zusammengefasst, damit die jüngeren, die nach mir kommen, es etwas leichter haben.

PZ: Poker Coaches geben meistens zu, dass sie die besten Tipps immer für sich behalten. Wie steht’s bei dir mit dem Wahrheitsgehalt?

JL: Ich bin sehr ehrlich. Aber es ist so: Wenn man die oberen Limits erreicht, wird es sehr schwierig, jemandem noch etwas beizubringen.

Auf diesem Level wird Poker sehr stark gefühlsmäßig bestimmt. Man versucht vor allem, die laut Spieltheorie optimale Strategie zu finden.

Wenn das gelingt, kann man nicht mehr überrannt werden. Die meisten von den Spielern, die ich coache, spielen recht erfolgreich Mid Stakes, aber wenn sich jemand mal auf den oberen Limits versuchen will, soll er mir herzlich willkommen sein.

PZ: Kann ein Mensch überhaupt mathematisch optimal spielen?

JL: Was Shortstacks betrifft, auf jeden Fall. Was Deepstacks betrifft, wohl eher nicht. Ich kenne einige, die glauben, sie wissen genau was sie tun, aber in Wirklichkeit kommen die wenigsten dem perfekten Spiel auch nur nahe.

PZ: Was hältst du von der neuen, unschlagbaren Software Cepheus?

JL: Da mache ich mir wenig Sorgen. Die schlägt nur Heads-up Limit Hold’em, und das ist ja auch kein besonders kompliziertes Spiel.

Es war klar, dass es irgendwann gelöst würde. Genauso wie Schach, zum Beispiel.

Außerdem ist Limit Poker seit Jahren schon tot. Was macht es schon, dass ein Spiel gelöst wird, das keiner mehr spielt.

No Limit Hold’em ist deutlich schwieriger, da man die Höhe des Einsatzes ja selbst bestimmen kann.

Das hebt das Spiel auf ein ganz anderes Niveau.

PZ: Du bist einer der wenigen Spieler, die sich auf Phil Hellmuth beziehen. Warum halten so viele Leute so wenig von ihm?

JL: Er verfolgt sicherlich keine Standardstrategie. Aber wenn jemand ständig Erfolge einfährt, und das über Jahre hinweg, muss man das anerkennen.

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Macht offenbar ziemlich viel richtig – Phil Hellmuth.
 

Sicherlich macht er manche Sachen falsch, aber macht offenbar auch sehr viel richtig.

Wenn man live spielt und weiß, wann der Gegner blufft, dann spielen Ranges usw. überhaupt keine Rolle mehr.

Wenn man weiß, ob der Gegner blufft oder die Nuts hat, braucht man auch nicht mehr auf spielerische Standards zu achten.

Ich habe heute in einer Hand Top Pair mit Q-J auf einem Flop Bube hoch weggeworfen, weil ich das Gefühl hatte, dass meine beiden Gegner eine starke Hand hatten.

Ich wusste nicht. Welche, und ich wusste auch nicht, ob sie in dieser Situation besser waren als Q-J, aber ich habe meine Hand dennoch weggeworfen.

Damit habe ich eine Menge Chips gespart. Später stellte sich heraus, dass der eine ein Set hatte. Ich schätze, dass der andere ein hohes Paar hatte.

PZ: Würdest du Nachwuchsspielern heute noch eine Karriere in der Pokerbranche empfehlen?

JL: Nein. Es ein zu weiter Weg zu einem starken Spieler, wenn man nicht bereits ziemlich gut ist.

Die Topspieler werden immer dominieren.

PZ: Und was ist dein nächstes Projekt?

JL Der zweite Teil von Jonathan Little on No Limit Cash Games erscheint demnächst.

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